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Ketteninterview – Runde I

Um uns kurz vorzustellen, haben wir uns gegenseitig Fragen gestellt. Hier ist Runde I:

Judith: Lieber Christian, dürfen wir jemandem trauen, der sich freiwillig „Christian Nr. 2“ nennen lässt?
Christian Nr.2: Natürlich nicht. Immerhin ist die Nr. 2 die Erste unter den Verfolgern der Nr. 1. Und genau das ist auch der Punkt. Nur weil Christian Nr.1 mich im Nacken hat, kann er die volle Kreativität und Schaffenskraft aus sich herausholen.

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Christian Nr.2: Lieber Christian Nr. 1, du bist Physiker, Autor, Schwertkämpfer, Schmied, Rollenspieler, Nr. 1 und nebenbei auch noch Vater und Ehemann. Was ist Dein Geheimnis? Haben Deine Tage mehr als 24 Stunden?
Christian Nr. 1: Wie alle Physiker besitze ich eine Zeitmaschine. Ansonsten kann ich nur empfehlen, den sinnlosen Kram in der Glotze einfach aus zu lassen – das macht einiges aus.

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Christian Nr. 1: Lieber Marco: Du tanzt und bist Rollenspieler. Eine seltene Kombination, behaupte ich mal. Hast du vor, die Hobbies mal zu kombinieren à la „Dirty Dancing in Drôl“?
Oder was steht bei dir als nächstes Schreibprojekt an?
Marco: Tatsächlich trifft man diese Kombination häufiger an, als man denkt. Auch über Verknüpfungen habe ich schon nachgedacht. Bloß: Ein Leser ist in dieser Beziehung wie ein Blinder. Und wie beschreibt man einem Blinden, was ein Tänzer tut? Wie beschreibt man eine Bewegung, deren einziger Zweck es ist, schön zu sein?
Solange ich mir diese Frage nicht zufriedenstellend beantwortet habe, widme ich mich lieber meinem derzeitigen/nächsten Schreibprojekt: meiner Magisterarbeit! – Auch wenn ich hörte, dies sei ein versteckter Code für das „freiwillige“ Ausscheiden aus einer kreativen Produktionsgemeinschaft … das ist hier nicht so.

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Marco: Da ich leider im Augenblick mit nichts spannenderem und spruchreifem aufzuwarten habe, mag uns vielleicht Henning beantworten: Lieber Henning, wie schreibt es sich denn als frischgebackener Vater? Haben sich deine Schreibzeiten auf 4 Uhr in der Nacht verlagert? Oder beschert dir der Nachwuchs dadurch sogar zusätzliche Arbeitsstunden, um die du unendlich „dankbar“ bist?
Henning: Es hat sich tatsächlich einiges verändert. Während man früher bis in die Nacht geschrieben hat, muss man heute darauf achten, die Nacht nicht zu sehr anzubrechen, bevor sie schon wieder unterbrochen wird. Aber durch dieses Prinzip der „freiwilligen Selbstzurücknahme“ lernt man, Kreativität und Ideen dann abzurufen, wenn sich das Zeitfenster dazu bietet.

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Henning: Lieber Mike, deine bisherigen Romane bestechen unter anderem durch ihre humorvollen und satirischen Momente. Fällt es dir als politisch engagierter und kritischer Mensch schwer, „leichtere Unterhaltung“ zu schreiben? Oder arbeitest du etwa schon an einem großen Epos zur Lage der Nation?
Mike: Das eine schließt das andere doch nicht aus. Ich lache einfach gerne und versuche meine Leserschaft ebenfalls das eine oder andere Mal zum schmunzeln zu bringen. Nichtsdestotrotz darf auch Unterhaltungsliteratur sozialkritisch oder gar politisch sein. Ich zitiere da gerne die Anarchistin Emma Goldmann die einst sagte: „Wenn ich hier nicht tanzen darf, ist das nicht meine Revolution.“

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Mike: Sag mal Stefan, Du bist doch der Rockstar innerhalb des Autorenkollektivs. Für die, die es nicht wissen: Stefan hört nicht nur leidenschaftlich Musik, er generiert sie sogar mit seiner Band. Kannst Du uns den Unterschied der beiden kreativen Prozesse, also schreiben und musizieren,  aufzeigen? Oder anders gefragt: Wie beeinflussen sich beide Deiner Leidenschaften gegenseitig?
Stefan: Das sind ja gleich zwei Fragen in einer. Das Musik machen – oder genauer gesagt: Das spielen in einer – halt: was mich betrifft: Das spielen in zwei Bands – ist ein kommunikativer Prozess. Sowohl im Probenraum, als auch auf der Bühne hat man es immer und ganz unmittelbar mit anderen Menschen zu tun. Das spielen in einer Band ist also ein – ähäm … „kollektiver Schöpfungsprozess“ der im Optimalfall sogar „nonverbal“ abläuft. Hu! Selten so geschwollen daher geredet … Schreiben hingegen, ist eine einsame Sache, die man im stillen Kämmerlein ausübt. Livemusik machen ist schnell und direkt, It’s Rock’n’Roll! Während eine Geschichte – zumindest bei mir, und um ein Bild zu verwenden – dem Formen einer Skulptur aus weichem Ton gleicht. Man kann alles damit machen, aber einhundert Mal zerfließt einem das Werk in den Fingern. Und zur zweiten Frage: Ich habe einen Trovere (Barden) in die „Türme von Taladur“ geschmuggelt. Ansonsten streiten sich Musik und Schreiben um das rarste Gut, das wir besitzen: Zeit.

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Stefan: So, Judith … ich fürchte, du ahnst, welche Frage jetzt kommt: Wie ist es denn so, als „Schreibnerdmädchen“ unter lauter „Schreibnerdjungen“? Und durfte die Frage so überhaupt gestellt werden?
Judith: Du meinst, ob es genderkorrekt ist, so eine Frage zu stellen? Oh, ich erwische mich so oft dabei, wie ich als Berufsbezeichnung schlicht „Autor“ angebe, dass ich wohl selbst nicht so ganz genderkorrekt bin … 😉
Mir ist ja schon mal aufgefallen, dass ich das einzige Schreibnerdmädchen im AK bin – aber ich finde, wir sind so ein Ausbund an Gleichberechtigung, dass ich nicht den Eindruck habe, dass das irgendeine Rolle spielt. Apropos Rolle spielt – im Rollenspiel ist man es ja ohnehin ab und an gewohnt, als Nerdmädchen in der Unterzahl zu sein – und wenn sieben Rollenspielautoren sich zusammenschließen, wäre es schon recht ungewöhnlich, wenn davon die Hälfte Autorinnen wären. Und egal, ob Freizeit oder Beruf – ich vertrage mich immer sehr gut mit Nerdjungs. 😉